Eine Schlappe ist es ja wohl sicher für Herrn Bush. Und jetzt (11:15 Uhr) sieht es auch so aus, als könnte noch die Senatsmehrheit verlorengehen. Grund zum Jubilieren?
Schwer zu sagen. Was wird aus dem Irak, wenn die Demokraten auf baldigem Abzug (z.B. in 12 Monaten) bestehen werden? Was wird, genauer, aus dem Nahen Osten?
Zu hoffen ist natürlich zunächst einmal, dass die Unsäglichkeiten um Guantanamo und "alternative Befragungsechniken" (alleine dafür möge Bush im Fegefeuer schmoren) bald abgestellt werden, aber man kann nicht umhin festzustellen, dass Irak gründlich destabilisiert worden ist, und zwar mit langfristigen Auswirkungen auf die Region.
Me too. Aber kurzfristig wird sich mit Sicherheit gar nichts ändern. Das würde auch die Bündnispolitik untergraben, und das kann sich Amerika nicht leisten. Mittelfristig hoffe ich, daß ein ausgeglichenerer Präsident - oder eher eine Präsidentin - nicht wieder zu einer Erfüllungsgehilfin dieser self fulfilling prophecy des Kampfs der Kulturen wird (dieses Enddarms pseudowissenschaftlicher Geschichtsschau). Damit wäre wohl erst einmal allen gedient.
Je nun, schon jetzt sind die Rufe der Demokraten nach einer "veränderten Strategie" im Irak nicht zu überhören. Und was mag das sein?
Wenn wir unterstellen, dass die bisherige mit "Durchwuseln und Verluste niedrig halten" einigermaßen umschrieben ist, und wenn wir weiter berücksichtigen, dass die Demokraten sicher kein verstärktes Engagement fordern werden, dann reden wir nur über eines: Den kontrollierten Rückzug. Wie gesagt: 12 Monate wäre ja schon "kontrolliert". @ Combatante: Welche Bündnispartner der USA würden dadurch brüskiert? Die Briten?
In Wirklichkeit profitieren die Demokraten vom Überduss an Bush und der Gegenpositionierung zum Irakkrieg. Vielleicht gewinnen sie ja sogar noch den Senat. Und dann? Gestalterisch können sie weiterhin nicht tätig sein. Einen sofortigen Abzug aus dem Irak wollen die wenigsten Demokraten (etliche waren ja 2003 dafür!); man befürchtet die vollständige Anarchie. Genau dies hat man jedoch suggeriert.
Meine These ist, daß der Vertrauensvorschuß, den die Demokraten jetzt erhalten haben, bereits 2008 zur Präsidentenwahl erschöpft ist. Ein Konzept fehlt - nicht nur außenpolitisch. Mit kleinen Signalen kann Bush es seinem potentiellen Nachfolger erleichtern; vielleicht baut man bis dahin auch einen neuen Schurkenstaat auf.
Interessanter Artikel zum 'Liberalismus' in den USA hier.
Je nun, was ist denn bitteschön ein "Kulturkampf", verehrter Herr Proconsul?
Der Kulturbegriff hat sich im Westen allein in den letzten zehn Jahren massiv gewandelt. Gehen wir von einer kulturwissenschaftlichen Definition aus? Von einer aus dem Feuilleton? Von einer politischen, und wenn, von welchem politischen Spektrum?
Ist Kultur Alltagskultur? Hochkultur? Politische Kultur? Ethnische Kultur gar? Welchen ethnischen Standpunkt vertreten "wir Deutschen", wenn sich Nord- und Süddeutsche in Herkunft und Geschichte schon so sehr unterscheiden?
Gehören dicke Kinder zu unserer Kultur, Unterschichtenslang und Promis im Fernsehen, Media Märkte, oder etwa Heine, Goethe, Beethoven und Franz Marc?
Gibt es eine westliche Kultur oder hunderte? Und wenn es eine geben sollte, woran machen wir sie fest (womit wir wieder bei der politischen Ausrichtung wären)?
Gibt es eine islamische Kultur oder hunderte? Und wenn ja: woran machen wir sie fest? Wen erklären wir für normativ: den Sunniten, den Schiiten, den Anhänger eines Sufi-Ordens? Einen Fundamentalisten oder einen liberalen Imam?
Diese These vom Kulturkampf operiert mit den dümmsten und einfachsten Vokabeln, die noch dazu nicht einmal definiert sind, sein Vorreiter hält sich selbst nicht einmal an seine eigenen settings. Damit erfüllt die ganze Theorie nur einen Sachbestand: die einer alles verkürzenden Ideologie, die einfache Lösungen bietet und pseudowissenschaftlich daherkommt. Wie der Sozialdarwinismus beispielsweise.
Eigentlich wäre das ein Thema für eine andere Page, wenn es nicht so sinnlos geworden wäre, dort zu diskutieren.
Gebe Dir Recht, daß man einen "Kampf" zwischen "Kulturen" recht einfach herbeidefinieren kann. Immerhin ist der "Weißwurschtäquator" ja auch eine Art "Frontlinie", wenn man denn unbedingt will.
Um in der Tat mal zu vereinfachen, halte ich es schon für behauptenswert, daß es einen Konflikt zwischen der "Ey, Du has' meinem Ehre beleidischt, jetz' mach isch Disch Krankenhaus!" und dem normalzivilisierten Menschen gibt. Die gibt es allerdings nicht nur im Westen. Allerdings halte ich es wiederum für bedenklich, daß der Konflikt sich angeblich entlang der Ost-West(?)-Achse verorten soll.
Ich halte es eher für einen intellelen Konflikt der Geisteshaltungen; zwischen Aufklärung und Ratio einerseits und dem emotionsgeladenen Sumpf der unreflektierten, ideologischen Verblödung andererseits. Beispiele dafür (Hitlerei, Kreuzzüge, Jihad, Bushismus) gibt's ja leider genug...
Ein Glück, daß das nicht dort diskutiert wird. Ich fürchte einen abermaligen Auftritt des Arschlantikers...
ZitatIch halte es eher für einen intellelen Konflikt der Geisteshaltungen; zwischen Aufklärung und Ratio einerseits und dem emotionsgeladenen Sumpf der unreflektierten, ideologischen Verblödung andererseits.
Das ist, glaube ich, zu einfach. Es unterstellt ein zu wohlsortiertes Weltbild: Hie die Ritter der Aufklärung mit der Fackel der Wahrheit und dem Heil der gesamten Menschheit als einzigem Ziel, dort die mittelalterliche, verführte Volksmenge, die aus ihrer demagogischen Verhetztheit befreit werden muss. Mindestens der erste Teil dieses Konstrukts ist ja nun beim besten Willen nirgendwo zu erkennen. Was immer man von den Argumentationsfiguren der Al-Qaida Sympathisanten halten mag: Dass Weltpolitik (und deren Begleiterscheinungen wie der Irak-Krieg) nicht aus einem Aufklärungsimpetus heraus erfolgt, sondern immer auch von ökonomischen und hegemonialen Motiven, sowie einer simplen ANGST getrieben wird, ist ja nicht zu leugnen, gell? Und nimm mal etwas viel Trivialeres, z.B. die "Kopftuchdebatte". Wie viel Irrationalität findet sich da, und wie wenig Ratio?
Womöglich kann mir jemand dieses Wesen und Konsorten erklären? Zu meiner Zeit haben wir eine Pirouette auch nicht gescheut, aber doch immerhin noch verbrämt.
ZitatIch halte es eher für einen intellelen Konflikt der Geisteshaltungen; zwischen Aufklärung und Ratio einerseits und dem emotionsgeladenen Sumpf der unreflektierten, ideologischen Verblödung andererseits.
Das ist, glaube ich, zu einfach. Es unterstellt ein zu wohlsortiertes Weltbild: Hie die Ritter der Aufklärung mit der Fackel der Wahrheit und dem Heil der gesamten Menschheit als einzigem Ziel, dort die mittelalterliche, verführte Volksmenge, die aus ihrer demagogischen Verhetztheit befreit werden muss.
Nu, ich halte den Geist der Aufklärung auch für nur minimal wertvoller, aber auch nur, weil es sich um idealerweise um reflektierte ideologische Verblödung handelt. Obwohl, wenn man die Stilblüten der Gutmenschengesellschaft so betrachtet, nehme ich alles zurück und erwäge die Behauptung des Gegenteils.
ZitatMindestens der erste Teil dieses Konstrukts ist ja nun beim besten Willen nirgendwo zu erkennen. Was immer man von den Argumentationsfiguren der Al-Qaida Sympathisanten halten mag: Dass Weltpolitik (und deren Begleiterscheinungen wie der Irak-Krieg) nicht aus einem Aufklärungsimpetus heraus erfolgt, sondern immer auch von ökonomischen und hegemonialen Motiven, sowie einer simplen ANGST getrieben wird, ist ja nicht zu leugnen, gell?
Gehe ich liebend gern Kondom, damit. Aber Weltpolitik, die von gewissen Impetussen (sic!) bestimmt wird, nun als irgendwie etwas anderes zu benennen, provoziert Unwillen und Nachahmer... Keiner läßt sich gern für blöd verkaufen, es sei denn, er bekommt genug Geld/Luxus/Alkohol dafür.
ZitatUnd nimm mal etwas viel Trivialeres, z.B. die "Kopftuchdebatte". Wie viel Irrationalität findet sich da, und wie wenig Ratio?
Naja, wenn man mal von den Hardcore-Aktivisten auf beiden Seiten absieht, ist die Einschätzung "soll halt jede in ihrer Freizeit aufziehen, was sie will" doch recht unemotional und entspannt, oder?
Weder die Bannstrahler des Okzidents, die am liebsten den 68er-BHs die Kopftücher gleich folgen lassen möchten, noch die Fraktion der "verletzten religiösen Freiheitsgefühle" nehme ich in dieser Diskussion argumentativ ernst.
Ich halte es nur für gefährlich und immer gefährlicher, wenn die tumben Arschgeigen immer mehr werden und demnächst Berlusconi-eskes TV mit Wippeltitten auf Bildzeitungsniveau selbst die Feigenblätter der ernstzunehmenden Journaille überwuchert.
Der Focus ist ja schon längst etabliert, garstige "Fuckten, Fuckten, Fuckten..."-Gazette...
ZitatNaja, wenn man mal von den Hardcore-Aktivisten auf beiden Seiten absieht, ist die Einschätzung "soll halt jede in ihrer Freizeit aufziehen, was sie will" doch recht unemotional und entspannt, oder?
Soweit ich die Sache verfolgt habe, ging es nicht so wahnsinnig um Freizeit als vielmehr etwa um Lehrerinnen während ihrer Berufsausübung. Und da gibt es eine große Fraktion die selbigen die Kopftücher verbieten wollen. Aber nichts gegen ein offen getragenes Kreuz haben. Konsequent?
Latürnich nicht. Menschen sind selten konsequent. Immer noch gilt:
ΔHemd < ΔJacke
Man sollte diese Leute allerdings zwingen, ein massives Eichenbohlenkreuz (egal, ob mit oder ohne Penetration) zu tragen. Wenn schon, denn schon. Außerdem ist das dem Kopftuch von der Außenwirksamkeit dann schon vergleichbarer.